Seltene Mittelalterliche Glasmalereien
Der Fund der vier mittelalterlichen Glasmalereien auf der Burg Falkenstein im Harz stellt einen seltenen Glücksfall dar, sind doch nur noch wenige Exemplare dieser aus dem 13. Jahrhundert stammenden Kunstgattung erhalten. Entdeckt wurden sie zusammen mit anderen Kunstgegenständen 1992 bei Vorarbeiten zur Sanierung der Burg in einem Zwischenboden oberhalb der Burgkapelle. Woher sie stammen, ist nicht bekannt. Sicher hingegen ist, dass der spätere Graf Ludwig I. von der Asseburg-Falkenstein für die Neugestaltung und Ausstattung des Kleinen Salons im Stil der Babelsberger Neogotik 1831/32 die Glasscheiben eigens hierfür erworben hatte. Mit der Umgestaltung des Kleinen Salons in ein Biedermeierzimmer 1925 wurden die Glasgemälde in das Altarfenster der Burgkapelle versetzt, wo sie bis zu ihrer kriegsbedingten Bergung im April 1945 verblieben.
Die vier Glasmalereien zeigen von unten nach oben den Stammvater Jesse und die Verkündigung, die Geburt Christi, die Anbetung der Könige und zuletzt die Darbietung Christi im Tempel.
Jede Szene wird durch einen König und einen Propheten – dargestellt als Halbfiguren in kleineren Medaillons am unteren Rand – angekündigt. Einzig das erste Glasgemälde bildet hierbei eine Ausnahme. Es zeigt den schlafenden Jesse auf einem Bett. Hinter ihm rankt ein schmaler Stammbaum auf, dessen Äste die einzelnen Medaillons umschlingen und zugleich miteinander verbinden. Mit der Darstellung der einzelnen Könige und Propheten, die sich allesamt auf Jesus Christus und seine Abstammung beziehen, wird zugleich auch der Bogen zum Alten Testament geschlagen.
Die Ikonographie der vier Falkensteiner Glasgemälde ist nicht ungewöhnlich, weist jedoch einige Eigenheiten auf. So z.B. wird Jesse nicht wie bis dato üblich auf einer Strohmatte, sondern schlafend in einem prunkvollen ausladendem Bett mit mächtigen Pfosten und verzierten Arkaden, das einem Fürsten würdig wäre, dargestellt. Hierdurch wird der herrschaftliche Rang Jesses deutlich unterstrichen. Das Motiv des in einem Bett schlafenden Jesse taucht Ende des 12. Jahrhunderts vor allem in der sächsischen und niedersächsischen Kunst immer wieder auf. Ein Beispiel hierfür ist die Darstellung einer Thronbank auf dem um 1230 entstandenen Katharinenreliquiar in Quedlinburg. Der Vergleich mit anderen Beispielen dieser Zeit zeigt, dass die Falkensteiner Glasmalereien in ihrer Motivwahl der thüringisch-sächsischen und niedersächsischen Bildtradition folgt. Sie sind vermutlich eine der frühesten Zeugnisse dieser neuen Kunstgattung – der Darstellung des Neuen Testaments in einem Bibelfenster.